Verfolgte Christen in der ehemaligen UdSSR und die folgenden Generationen

chorew

Verfolgung in der UdSSR

Evangelische Freikirchen wie Baptisten waren in der UdSSR nur erlaubt, wenn sie sich registrieren ließen, und harte staatliche Vorgaben befolgten. So gab der Staat vor, was gepredigt werden durfte und was nicht, wer Mitglied sein durfte und wer nicht, usw. Christen, die sich allein der Autorität Gottes beugen wollten, trafen sich in Untergrundgemeinden, die aber von Polizei und Geheimdienst verfolgt wurden. In dieser Zeit lebte Mihail Chorew, welcher mehrere Jahre im Lager verbrachte und von dort aus seinen Kindern 33 bewegende Briefe geschrieben hat. Was wurde aus den folgenden Generationen? Meine Reise im März 2021 gab mir ein wenig Einblick, denn mich begleitete zu Beginn Dr. Ulf Oldenburg, ein dänischer Missionar, der in kommunistischer Zeit oft in der UdSSR und auch im heutigen Moldawien unterwegs war und Mihail Chorew persönlich noch kannte.

1980: Ein Literaturtransport flog auf

Über einige Zeit wurde Holz von Finnland durch die UdSSR weiter nach Südeuropa transportiert. Zwischen den Stämmen wurden Bibeln und christliche Literatur versteckt, die in der UdSSR verboten waren. Lange Zeit kam niemand auf die Idee, dass sich zwischen den Stämmen Literatur befand, doch einmal wurden die Männer vom Geheimdienst beobachtet, wie sie die Literatur aus den Stämmen entfernten, in LKWs luden und dann weiter verteilten. In drei LKWs mit Literatur fuhren jeweils die Brüder Iwan und Vasile sowie ein weiterer Mann. Die Polizei richtete eine Straßensperre, um die LKWs abzufangen, die Literatur zu beschlagnahmen und die Fahrer festzunehmen. Es drohten mehrere Jahre Gefängnis.

Die ersten beiden LKWs mit jeweils Iwan und dem anderen Fahrer wurden angehalten. Vasile fuhr mit dem dritten LKW und sah, wie die beiden anderen angehalten wurde. Kurz entschlossen ignorierte er die Polizei und fuhr einfach weiter. Die Polizisten fuhren Vasile hinterher und ließen die anderen beiden LKWs allein, sodass sie wegfahren konnten. Vasile opferte sich für die anderen beiden, wurde festgenommen, kam einige Jahre ins Gefängnis und die Literatur wurde beschlagnahmt.

Anfang der 90er: Banditen und Baptisten

In dieser Zeit ist die UdSSR zerfallen und die Verfolgung endete. Die Gemeinden konnten sich wie in West- und Mitteleuropa frei und ohne staatliche Restriktionen versammeln, so auch die sogenannten „nicht registrierten“ Gemeinden. Eine Gemeinde suchte für ein Gebetshaus ein Grundstück in einem Dorf, wobei der Besitzer eines Grundstücks meinte, er verkaufe nichts an Banditen und Baptisten. Erstaunt fragten sie nach, warum er Banditen und Baptisten in einem Atemzug nannte und welches Problem er mit Baptisten hatte. Er erzählte, dass er Polizist war und einige verdächtige LKWs gestoppt hat. Zwei hatte er bereits gestoppt und der dritte, den er anhalten sollte, fuhr einfach weiter. Er fuhr dem Dritten hinterher und beschlagnahmte die darin vorhandene Literatur.

Was soll er nun mit der Literatur tun? Seine Mutter war ganz begeistert über eine Bibel, und auch sonst merkte der Polizist, dass diese Literatur bisweilen heiß begehrt ist, sodass er sie nach und nach gewinnbringend verkaufte und so die Literatur sich über das ganze Land verbreitete.

Moderne Zeiten, moderne Probleme

Im März 2021 besuchten wir Ivan, der mittlerweile um die 70 Jahre alt ist. Er hat mehrere Kinder, von denen einige in Deutschland leben. Auch sein Bruder Vasile, ähnlich alt, lebt noch in seiner Nachbarschaft. Ich fragte nach, wie es den Gemeinden in den letzten 30-40 Jahren ergangen ist, den Kindern und Enkeln, denen Mihail Chorew die Briefe schrieb.

Nun hat sich die Gesellschaft in Moldawien sehr verändert: Vom Kommunismus direkt zum Raubtier-Kapitalismus ohne nennenswerten Arbeitnehmerschutz, schlechte Arbeitsbedingungen und noch schlechteren Lohn. Früher hatten die Menschen Zeit und lebten in „gesicherter Armut“, wo es wenig, aber zumindest das Notwendigste gegeben hat. Immerhin war Moldawien eine der reichsten Sowjetrepubliken. Heute müssen Rentner mit ca. 50€ und Normalverdiener mit ca. 200-300€ im Monat auskommen bei Preisen, die mindestens so hoch sind wie bei uns, für manche Ware deutlich teurer. Die verbreiteten Lebensmittelketten wie Linella haben ein dem westlichen Standard entsprechenden Angebot, aber mit Durchschnitts-Moldawier unerschwinglichen Preisen, die durch die Covid-Krise noch weiter gestiegen sind.

Waren die Probleme damals die kommunistische Ideologie, so ist es heute der Kampf ums Überleben, aber auch die Herausforderungen der modernen Welt wie Internet und Smartphones. Moldawier gehen mit den neuen Medien deutlich unbefangener um wie Westeuropäer, man sieht sogar schon Kleinkinder im Buggy am Handy, die sich ständig Clips ansehen. Tik Tok ist in aller Munde und Bilder von Kindern und Mädchen gehen weltweit viral. Mittlerweile wächst langsam das Bewusstsein für Schutz der Privatsphäre, sodass man heutzutage auch nicht mehr einfach Kinder fotografieren und sie ins Netz stellen kann. Aber Medienkompetenz ist ein sehr großes Thema, und es betrifft alle Moldawier: Seien es die offiziellen oder die sogenannten „nicht registrierten“ Gemeinden. Als ich Ivan auf die heutige Zeit ansprach, redete er nur noch über die Handys, und dass er sich von seinem Enkel eine Stunde ohne Smartphone kaufen musste, um mit ihm unabgelenkt Zeit verbringen zu können

Auch die Nachfahren der treuen, verfolgten Christen müssen sich neu den Herausforderungen ihrer Zeit stellen. Die Treue der damaligen Geschwister überträgt sich nicht automatisch auf die nächste Generation, sondern jedermann ist aufgefordert, sich dem Kampf um die Wahrheit zu stellen und kann sich nicht auf den Verdiensten früherer Generationen ausruhen. Die Briefe wurden geschrieben, und müssen auch befolgt werden. Wie es um die Nachfolge-Gemeinden dieser Zeit steht, kann ich aber nicht beurteilen, ich war in einem Gottesdienst, aber er war in russischer Sprache, die ich nicht verstehe. Ich stellte aber fest, dass es sich um normale, moderne Menschen mit modernen Problemen, die wir ebenso haben. Jede Generation hat ihre Herausforderungen, die jeder für sich, in seiner Zeit bewältigen muss.

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