Moldawienreise im Juli 2021

Ich kehrte wieder nach Moldawien zurück!

IMG-20210707-WA0008
Es ist nun drei Monate her, als ich das Wunder meiner schnellen und vollständigen Genesung von Covid erlebt habe, und dies indirekt auch von mehren Ärzten bestätigt wurde, nämlich dass der Genesungsverlauf medizinisch eigentlich so nicht möglich ist.
 
Nun fahre ich mit Auto und Zelt wieder nach Moldawien zurück, um die gesammelten Hilfsgüter zu übergeben, aber das auch mit ein wenig Camping-Urlaub zu verbinden.
 

Anlass dafür ist das Projekt: 80 Bananenkisten für Holocaust Überlebende. Die Sachen sind bei den Menschen angekommen, unter dem Link habe ich einige mir zugesandte Fotos angefügt, denn leider konnte ich aufgrund der Pandemie nicht persönlich die Kleiderspenden übergeben.

Ich habe zu dieser Reise eine Diashow erstellt:

Freitag, den 2. Juli

Start in Groß-Umstadt, auf dem Weg noch Milch beim Bauer Meyer in Habitzheim geholt

Ich habe die Reise in vier Etappen geplant, d.h. vor Montag Abend oder Dienstag Mittag werde ich nicht in Moldawien sein. Ich möchte nicht länger als 8 Stunden an einem Tag fahren. So habe ich drei Etappen bis an die Moldawische Grenze geplant: Niederösterreich an der ungarischen Grenze, Cluj Napoca und dann Iasi. In Iasi mache ich einen PCR-Test, der mich bei negativem Ergebnis von der Quarantänepflicht befreit, und sobald ich das Ergebnis habe, fahre ich nach Moldawien.

Auf der Fahrt hatte ich das perfekte Reisewetter für den Sommer: bewölkt, kühl und nur wenig Regen unterwegs, aber dafür Baustellen und Staus auf der Autobahn. So bin ich in Pottendorf angekommen, wo ich bei Freunden übernachte bevor es morgen weiter geht.

Grundsätzlich will ich diesen Einsatz auch mit Campingurlaub verbinden und habe mein Zelt mitgenommen. Aktuell denke ich darüber nach, nach meiner Zeit in Moldawien den Rest meines Urlaubs im Osten der EU, hochwahrscheinlich Rumänien an verschiedenen Orten zu zelten.

Das sind zwar meine Pläne, kann aber auch sein, dass Gott ganz andere hat. 

Samstag, den 3. Juli

Auf der Autobahn in Ungarn wo es eine Stunde nicht vorwärts ging

Bereits am zweiten Tag ergab sich schon die erste Änderung, denn ich kam nicht auf dem Campingplatz bei Cluj an, sondern fand einen abgelegenen See in der Nähe von Baia Mare im Nordwesten Rumäniens.

Ich habe nämlich in Ungarn mindestens zwei Stunden durch Staus und Suche nach einer Gastankstelle (LPG) verloren und habe bereits bei Budapest festgestellt, dass ich im Hellen nicht mehr Cluj erreichen kann. Deshalb habe ich den schnellsten Weg nach Iasi, mein übernächstes Ziel er-googelt und bin über Satu Mare ganz im Norden über die Grenze nach Rumänien.

In Ungarn durfte ich nicht übernachten, da mir nur der Transit erlaubt ist, d.h. Durchfahren ohne Übernachtung, da ich noch nicht gegen Covid geimpft bin. Deshalb war die Fahrt länger als erwartet.

Ich verlor noch weitere zwei Stunden: Eine Stunde Wartezeit an der Grenze und eine weitere durch die Zeitumstellung, weil in Rumänien die Osteuropäische Zeit gilt (+1 Std.). 

Über die APP: Caravanya, die ich jedem Camper empfehlen kann, fand ich einen naturnahen Campingplatz(*) für mein Zelt an einem wunderschönen See namens: „Lacul Nistru“ bei Baia Mare. Dabei machte ich die Erfahrung, dass Google Maps nicht immer zu trauen ist, denn sie schicken einen manchmal über kaum befahrene Feldwege, sodass ich dadurch noch mehr Zeit verloren habe und mein Zelt erst gegen 21:30 Uhr gestanden hat.

Die Landschaft  war aber wunderschön und konnte mich dann nach einer elfstündigen Fahrt zur Ruhe begeben. Dadurch fand der stressige Tag ein schönes Ende!

Ufer am Lacul Nistru
Am nächsten Morgen

"Naturnaher Campingplatz" - was ist damit gemeint?

Campingplätze wie wir sie kennen mit Sanitäranlagen, abgezäuntes Gelände, vielleicht noch ein Kiosk, etc. sind in Rumänien selten, Dafür kann man fast überall sein Zelt aufschlagen, man muss aber vorsichtig sein, denn in den Wäldern gibt es Bären.

Zu diesem Ort hat mich die APP: Caravanya geführt, ein gepflegtes Erholungsgebiet, das von Rangern sauber gehalten und gepflegt wird. Es gibt darüber ein Trocken-WC, aber ansonsten nichts weiter, d.h. ich konnte nur eine „Katzenwäsche“  mit dem mitgebrachten Wasser machen. Für Strom musste ich zum Ranger, damit ich meine Matratze aufpumpen kann. Der Stellplatz hat nichts gekostet, aber man sollte ein Trinkgeld den Rangern geben, da sie sich viel Mühe machen, um den Platz sauber zu halten.

Auf der gegenüberliegenden Seite ist ein großer Parkplatz, wo man sicher auch sein Wohnmobil abstellen kann. 

Auf dem Platz habe ich Jugendliche vom Dorf angetroffen, die mich gleich zu sich eingeladen haben. Leider war ich zu müde, um mit ihnen mehr Zeit zu verbringen.

Sonntag, den 4. Juli

Blick auf Borsa, in Maramures, im Norden Rumäniens

So zäh die Fahrt am zweiten Tag war, so schön war die Fahrt heute am dritten Tag durch „das Bayern Rumäniens“ – sehr urig und traditionell.

Geographisch sind im Gegensatz zu Deutschland die Berge im Norden und das flache Land und das Meer im Süden. Die Region: „Maramures“ fällt auf durch schöne, traditionelle Häuser, Menschen, die noch oft in Trachten bekleidet sind (mehr noch als die Bayern), ihre Volksmusik und einer atemberaubenden Gebirgslandschaft. 

Nach ca. acht Stunden Fahrt habe ich dann mein nächstes Ziel: Iasi ganz im Osten nahe der Grenze zu Moldawien erreicht. Nun muss ich einen PCR-Test machen, damit ich in Moldawien nicht in Quarantäne muss. Der Test ist für morgen geplant. Ich konnte mich nicht schon zu Hause testen lassen, da ich nicht innerhalb von 72 Stunden an der Grenze nach Moldawien ankommen könnte.

Montag, den 5. Juli

Universitätsstadt Iasi

Nachdem ich einen PCR-Test abgegeben habe, besuchte ich die Innenstadt von Iasi, jedoch hielt ich mich die Zeit über wegen dem strömenden Regen meist in einer Mall auf.

Anschließend besuchte ich den jüdischen Friedhof sowie das Mahnmal neben der Synagoge, das an den Todeszug von Iasi fast exakt vor 80 Jahren erinnerte

Mahnmal an den Todeszug von Iasi am 28. Juni 1941
Kränze von der Gedenkfeier an die Pogrome 1941

Am Nachmittag konnte ich nachdem ich das negative Testergebnis des PCR-Tests erhalten habe, nach Moldawien weiterfahren und somit meine letzte Etappe antreten.

Am Abend bin ich dann endlich im Gästehaus: Casa Aviv Bakfar angekommen – eine viertägige Reise mit dem Auto nach Moldawien hat ihr Ziel erreicht!

Casa Aviv Bakfar ist nun fertig und wartet auf Gäste! Hoffen und beten wir, dass die Covid-Pandemie bald vorbei ist und Reisen ohne Einschränkungen wieder möglich sind!

Casa Sardarului

Dienstag, den 6. Juli

Heute hieß es erst einmal ankommen und die Menschen zu treffen, die mir damals so sehr  geholfen haben, mich gesund zu pflegen.

Ich bin den Weg zum Gästehaus hochgelaufen, wo ich damals untergebracht war. Es liegt am Hang, und der Weg war damals für mich sehr anstrengend. Ich spürte den großen Unterschied zu jetzt, nur hat mich heute der Schlamm aufgehalten, dorthin zu gehen.

Hier wurden mir meine Erinnerungen an meine Covid-Erkrankung neu bewusst, und insbesondere auch meine gründliche und schnelle Genesung!

Gästehaus, in dem ich im März in Quarantäne war

Am Nachmittag fuhr ich in das etwa 80 km entfernte Ungheni, um Freunde zu besuchen sowie mitgegebene Geschenke abzugeben.

Ich bin sehr erstaunt, wie grün das Land im Sommer ist. Bisher war ich nur im Winter oder eben im März, in dieser Zeit liegt entweder Schnee oder alles ist braun.

Hier ein paar Eindrücke, vom Straßenrand auf den Straßen durch das Land:

 

Wie diesen Brunnen findet man immer wieder Zäune, Tore oder anderes in den Nationalfarben: blau, geld, rot
Orthodoxe Kirche in Ungheni

Mittwoch, den 7. Juli

Übergabe der Hilfsgüter an die jüdische Gemeinde in Chisinau

Heute wurde das wesentliche Ziel meiner Reise erreicht!

Alle für die Holocaust-Überlebenden  bestimmten Hilfsgüter wurden vom Lager in Chisinau abgeholt und an die Jüdische Gemeinde in Chisinau übergeben.

Die Hilfsgüter wurden mit der Spedition vorausgeschickt, ich bin denen nachgereist. In den Bananenkisten befanden sich gut erhaltene Kleidungsstücke und Schuhe.

Laden der Kisten mit Juri Grosin, dem Kontaktmann und Übersetzer
Hilfsgüter vor dem Eingang der jüdischen Schule

In zwei Fahrten mit den orangenen Bus wurden die Hilfsgüter nacheinander zur jüdischen Schule in Chisinau gebracht, wo auch der Sitz der Hesed in Chisinau, der Organisation, die auch die Holocaust Überlebenden betreut.  Es leben derzeit noch etwa 250 Personen, die damals Kinder waren, nun aber bereits über 80 Jahre alt sind.

Insgesamt leben in  Moldawien noch ca. 5000 Juden.

Herr Alexandr Hudis hat sich für die Hilfsgüter sehr bedankt! Diesen Dank möchte ich von Herzen an alle Spender weitergeben!

Hilfsgüter werden von Alexandr Hudis, dem Betreuer der Holocaust Überlebenden empfangen

Donnerstag, den 8. Juli

Jedem Kind seine Decke im Frauengefängnis in Rusca

Mini Decki“ ist ein Projekt bei dem Decken genäht und dann an geflüchtete Kinder weitergegeben wurden, um ihnen Wärme und Geborgenheit zu schenken.

Da der Deckenbedarf der Flüchtlinge rückläufig wurde, wurden in den letzten Monaten von freiwilligen Näherinnen extra für Moldawien genäht. Diese Decken werden während meiner Reise an die Kinder verteilt.

„Mini Decki“ meint nicbt, dass die Decken klein sind, sondern ist eine Umschreibung aus dem Schweizerdeutschen und bedeutet: „Meine Decke“ 

Bananenkiste mit Decken der Nähinitiative: "Mini Decki"
Am Eingang vom Frauengefängnis in Rusca

Heute wurden für jedes Kind der gefangenen Frauen Decken ins Frauengefängnis nach Rusca gebracht.

So kommt es immer wieder vor, dass schwangere Frauen inhaftiert werden. Wenn diese Kinder im Gefängnis geboren werden, bleiben sie bis ca, zum dritten Lebensjahr bei der Mutter bzw. in einem extra für die Kinder vorgesehenen Bereich

Leider durften wie wegen den aktuellen Corona-Bestimmungen die Gefangenen und deren Kinder nicht direkt besuchen, sondern die Decken und andere Hilfsgüter wurden dem Wachpersonal übergeben, die sie an die Frauen bzw. den Kindern weitergeben.

Übergabe der Decken an die verantwortliche Wärterin
Kinder erhalten die Decken

Später wurden die Decken an die Kinder im Gefängnis weitergegeben!

Das Foto ist von einer Wärterin.

Die Gesichter der Personen müssen aufgrund aktueller moldawischer Gesetzlage ausgeblendet werden

Moldawische Spezialität im Sommer: Scrumbie de Dunare

Es handelt sich bei „Scrumbie de Dunare“ um einen im westlichen Schwarzen Meer beheimateten heringsartigen Fisch, der zum Laichen im Sommer die Donau hochschwimmt.

Der Name des Fisches ist nicht übersetzbar bzw. habe im Internet keine gute Übersetzung gefunden – einige nennen ihn einfach „Donauhering“. Nach Information auf der folgenden Webseite soll dieser Fisch sehr gesund und zur Behandlung einiger Krankheiten geeignet sein.

Dieser Fisch wird oft im Donaudelta – aber auch in Moldawien gegessen und gilt hier als Spezialität

Freitag, der 9. Juli

See im Stadtpark: Valea Trandafirului

Heute habe ich mit meinem Patenkind und dessen Mutter einen Ausflug in den Zoo sowie in einen Park in der Hauptstadt gemacht.

Hier sind wir mit dem Tretboot unterwegs. 

Agroschka – eine erfrischende russische Sommersuppe mit Eiern, Gurken, Kartoffeln, Eiern und Dill mit Kefir – hier bei der Restaurantkette: „La Placinta“ mit meist traditionellen Speisen

Samstag, den 10. Juli

Besuch bei Tamara Facleeva, einer Überlebenden des Holocausts

Tamara Fadeeva erzählt ihre Lebensgeschichte

Tamara Fadeeva wurde im Jahr 1940 in eine jüdische Familie geboren. Ihr Großvater war 1918 in dem Rat, der für Moldawien während der Wirren der Oktober-Revolution entschieden hat, sich Rumänien anzuschließen. Somit war Moldawien zwischen 1918 und 1940 Teil des Staatsgebiets von Rumänien.

Durch den Hitler-Stalin-Pakt wurde Moldawien der UdSSR zugeteilt wodurch dieses Gebiet bis zum Einmarsch der Deutschen Wehrmacht und der Rumänischen Armee im Sommer 1941 wieder zu Rumänien gekommen ist.

Jedoch wurden die Juden, die tw. 30-50% der Bevölkerung stellten, sowohl von der Rumänischen faschistischen Regierung als auch der Deutschen Wehrmacht verfolgt. 

Tamaras Vater wurde ins Ghetto verschleppt und wurde 1943 erschossen (was sie erst viel später erfahren hat), ihre Mutter kam in das Konzentrationslager in Bolgrad in der Ukraine.

Von dort hat sie mir ein Foto von ihrer Mutter und ihrer Freundin als auch ein anderes Foto von der Freundin ihrer Mutter gezeigt.

Die Freundin ihrer Mutter (Foto rechts) schrieb ihrer Mutter folgenden Gruß auf der Rückseite des Fotos:

Für die liebe Valechka von ihrer Bekannten Sonja in Erinnerung an die Zeit im Lager in Belgorod.

Krasnodar
Moskauer Straße
Djamilieva S.

(aus dem Russischen übersetzt)

Die Mutter hatte das Lager überlebt, jedoch in der Zeit nach dem Krieg ihre jüdische Identität verborgen. Tamara wurde Mikrobiologin und Infektologin und arbeitete während dem Afghanistan-Krieg in den 80er Jahren im Sowjetischen Militärkrankenhaus in Kabul.

Erst am Ende des Lebens ihrer Mutter erfuhren sie, dass sie Juden sind. Von ihrem Vater wusste sie lange Zeit nichts bis sie sein Schicksal herausgefunden hat.

Orhei Vechi: Traditionelle Dörfer, Landschaftsschutzgebiet und Felsenkloster

Ausblick vom Felsenkloster
Marienkirche auf dem Felsen

Der bekannteste Ort in Moldawien außerhalb von Chisinau ist Orhei Vechi mit den atemberaubenden Landschaften, dem Felsenkloster sowie den traditionellen Dörfern im Flusstal des Râuts.

Das Dorf Butuceni ist bekannt als Museumsdorf, in dem das traditionelle Landleben dargestellt wird.

In rustikal traditionell eingerichteten Restaurants werden typische moldawische Spezialitäten zu günstigen Preisen angeboten, das teuerste Gericht kostet 5€! 

Wintergarten in einem traditionell eingerichteten Restaurant

Typische moldawische Sommerküche ist Salat mit Tomaten, Gurken und frischem Kohl oder wie auf dem Bild: gegrillte Paprika und Auberginen sowie Auberginensalat mit Zwiebeln.

Hierzu passt guter moldawischer Rotwein – oder auch „Kompott“, der jedoch hier keine gekochten Früchte sind, sondern ein Getränk auf der Basis vom Saft der Früchte

Abendsstimmung im Flusstal des Râuts

Sonntag, den 11. Juli

Parlamentswahlen in Moldawien

Wahlplakat er Kommunistischen Partei neben der Werbung für Bier am Rand von Chisinau
Wahlplakat er Kommunistischen Partei neben der Werbung für Bier am Rand von Chisinau

Heute waren Parlamentswahlen in Moldawien: Es wird ein Kopf an Kopf-Rennen zwischen der proeuropäischen Partei PAS der Präsidentin Sandu und den Kommunisten erwartet. 

Ich war heute Vormittag mit meiner Gastfamilie im Gottesdienst einer kleinen Baptistenkirche in Holercani nahe Transnistriens. Durch die Wahlen bedingt wurde ich nahe der Grenze von er Polizei kontrolliert. Am Nachmittag war ich zu einer Geburtstagsfeier eingeladen.

Nachtrag: Die proeuropäische Partei der Präsidentin Sandu hat die Wahl gewonnen und die absolute Mehrheit der Sitze im Parlament. Weitere Informationen zur Wahl unter folgendem Link 

Montag, den 12.Juli

Jüdische Stätten in Chisinau

Denkmal des Pogroms gegen die Juden in Chisinau 1903

Heute habe ich einen Teil der jüdischen Orte in Chisinau aufgesucht, die in folgender Audio-Tour von Centropa angeboten wird. Unter diesem Link findet man viele Details zu den hier vorgestellten Orten

Fake-News: Was sie damals ausgerichtet haben:

Nicht nur heute, sondern auch Anfang des 20. Jahrhunderts hatten Fake-News verheerende Auswirkungen! So kam das Gerücht auf, dass die Juden einen christlichen Jungen umgebracht haben, um sein Blut für rituelle Zwecke zu verwenden. Es gab dafür nicht den geringsten Beweis, aber es reichte, dass ein Mob angestachelt von der Orthodoxen Kirche an Ostern 1903 marodierend durch die Straßen gezogen sind, 49 Juden getötet, viele verletzt, Frauen vergewaltigt und Häuser und Besitz zerstört haben.

Zweifellos der bedeutendste Ort ist der große jüdische Friedhof mit seinen insgesamt 25.000 Gräbern. Dieser Friedhof wird von der jüdischen Gemeinde noch genutzt, was man an vielen Gräbern erkennen kann, bei denen die Menschen erst nach 2000 verstorben sind.

Der älteste Teil des Friedhofs wurde jedoch in den 50er Jahren in einen Park umgewandelt, in dem seit 1993 die Gedenksteine zum Pogrom aufgestellt wurden (Bild oben)

Die ältesten noch vorhandenen Gräber stammen aus den 30er Jahren des vergangenen Jahrhunderts und sind mit Gestrüpp zugewachsen

Zwischen den meist ungepflegten Gräbern streunen wilde Hunde, Menschen trifft man dort kaum

Verfallene Friedhofs-Synagoge
Denkmal für die Opfer des Faschismus

Dieses Denkmal wurde 1982 aufgestellt und erinnert an die Opfer des Faschismus in Besserabien. An dieser Stelle sollen Hunderte von Juden erschossen worden sein.

Bedauerlicherweise befindet sich genau daneben in meinem Rücken ein großes Autohaus einer Deutschen Nobelmarke aus Stuttgart-Zuffenhausen, das ich an dieser Stelle sehr unpassend finde!

Dieses Gebäude ist die Gleizer Shil, die ehemalige Synagoge der Glaser und Buchbinder.  Nach dem Krieg war dies die einzige Synagoge, die genutzt werden durfte. Auch heute noch ist die Synagoge im Betrieb von der orthodoxen Gemeinde Chabad Chassidim

Gleizer Shil
Ruine des jüdischen Armenhauses

Vom stattlichen Gebäude des ehemaligen jüdischen Armenhauses, erbaut zu Beginn des 20. Jahrhunderts, zeugt heute nur noch eine imposante Ruine.

An dieser Stelle stand bis 1940 die größte Synagoge in Chisinau: die Choral-Synagoge. Das Gebäude hatte den Krieg überstanden, jedoch durfte es nicht mehr von den Juden genutzt werden. Später wurde es zu einem Theater umgebaut.

Ehem. Choral-Synagoge, heute ein Theater
Denkmal des jüdischen Gettos

Dieses Denkmal erinnerte an das Jüdische Ghetto von 1941 bis 1942, in dem menschenunwürdige Zustände herrschten. Die jüdischen Bewohner wurden nacheinander in Lager in Transnistrien deportiert bzw. wurden umgebracht.

Von dem ursprünglichen Gebäude der Lemnaria-Synagoge, das 1835 erbaut wurde und über 100 Jahre eine der zentralen Synagogen der Stadt beherbergte, ist nur noch die Fassade erhalten.

Der Gebäudekomplex ist aber heute ein Zentrum des Jüdischen Lebens und beherbergt sowohl „Kishinev Jacobs Jewish Campus“ als auch diverse jüdische Organisationen, u.a. auch Hesed, an denen letzten Mittwoch die Hilfsgüter übergeben wurden.

Lemnaria Synagoge

Dienstag, den 13. Juli

In Moldawien kann man auch wirklich Urlaub machen! So habe ich diesen Tag genossen für Erholung und auch Wellness.

Das Gästehaus ist nun bereit, Gäste zu empfangen. Noch vor wenigen Monaten war anstatt der Wiese noch Ackerland, doch nun lebe ich in dem vollklimatisierten Gästehaus, in dem ich von der derzeitigen Hitze von über 30 Grad und auch tropischen Nächten nichts merke. 

Angeboten wird neben dem Zimmer auch Halbpension mit landesüblichen, biologisch angebauten Speisen – überhaupt ist Moldawien der Anbau biologisch, denn für Chemie fehlt seit Jahrzehnten schlicht das Geld.

Darüber hinaus kann ich mich sehr günstig massieren lassen, was sich durchaus lohnt!

Allmählich wage ich, an das Ende der Corona-Einschränkungen zu denken und möchte ab 2022 auch Reisen anbieten, So soll auch dieser Reisebericht anregen, dieses bisher recht unbekannte Land zu besuchen

Mittwoch, den 14. Juli

Heute habe ich die jüdische Audiotour im Zentrum von Chisinau fortgesetzt, wo damals bis 1940 auch das jüdische Leben pulsierte, so auch heute am Boulevard, der heute nach dem König Stefan, den Großen benannt ist. Zur Zeit der UdSSR war es die Leninstraße und davor die Alexandrowskaja Straße.

Bulevard Stefan Cel Mare si Sfint
Jüdisches Waisenhaus für Mädchen (?)

An dieser Stelle stand das jüdische Waisenhaus für Mädchen, das bis 1940 in Betrieb war. Heute ist dort ein „Lost place“, die Fenster sind offen und in den Räumen befindet sich Müll.

Bei dieser Tour fiel mir auf, dass das jüdische Leben in Chisinau und Moldawien bis 1940 blühte, jedoch danach von den Faschisten als auch den Kommunisten der UdSSR gleichermaßen in die Zange genommen wurde. Erst seit 30 Jahren können Juden in Moldawien frei von Diskriminierung leben.

Zwar wurden in der UdSSR die Juden nicht systematisch ermordet, jedoch wurde das jüdische Leben stark eingeschränkt.

 

Nicht weit vom Parlamentsgebäude befindet sich die Villa Kligman, das eine der bekanntesten jüdischen Familien in Chisinau gehörte.

Das eingeschossige Gebäude steht heute wie aus der Zeit gefallen zwischen den monumentalen Bauten am Boulevard Stefan cel Mare. Es beherbergte in sowjetischer Zeit das lokale Kunstmuseum. Derzeit steht es scheinbar leer.

Villa Kligman
Pariser Flair im Stadtpark Stefan Cel Mare

Man kann sich wie in Paris fühlen in dem Café „Bonjour“ mit einem Croissant und den Klängen französischer Chansons im kühlenden Schatten im Stadtpark.

Damals wie heute ist er ein sehenswertes Naherholungsgebiet im Herzen von Chisinau direkt am Bulevard Stefan Cel Mare. 

Israeli Streetfood im Herzen Chisinaus

Es kann kaum einen würdigeren Abschlus der jüdischen Tour geben als im zufällig entdeckten Israelischen Restaurant einzukehren – ein einfaches, zweckmäßiges Ambiente mit den Klängen moderner Israelischer Musik, authentischen Speisen zu sehr günstigen Preisen!

Ein wenig Tel Aviv in Chisinau

Donnerstag, den 15. Juli

Der Nistru (Dnjestr) bei Dubasari

Heute war der bisher heißeste Tag mit fast 35 Grad, da konnte man es am Wasser am Besten aushalten. Ich besuchte einige Dörfer am Ufer des Nistrus direkt an der Grenze zu Transnistrien, ein Gebiet, das sich 1992 als Folge eines Bürgerkriegs unabhängig erklärt hat. 

Es handelt sich um einen aktuell „eingefrorenen Konflikt“, d.h. der Konflikt wurde nicht gelöst, aber an einer Lösung wird auch nicht gearbeitet, irgendwie haben sich alle Beteiligten sich mehr oder weniger damit arrangiert. Eine sehr gute Erklärung des Konflikts befindet sich auf folgender Seite: https://osteuropa.lpb-bw.de/transnistrien-konflikt

Holercani ist ein größeres Dorf mit ca. 2000 Einwohner direkt am Ufer des Nistrus. Mir fiel bei den Dörfern sehr deutlich auf, dass die Menschen dort sich stärker auf ihre Nationalität als Moldawier identifizieren als anderswo. 

Ortseinfahrt nach Holercani
Orthodoxe Kirche in Holercani

Im Zentrum des Dorfes steht die orthodoxe Kirche, das Kulturhaus, das Rathaus und ein kleines Lebensmittelgeschäft sowie ein Gymnasium. 

Ansonsten leben im Dorf meistens Kleinbauern. 

Als ich in Molovata angekommen bin, habe ich gerade die Fähre nach Transnistrien verpasst – so verbrachte ich den heißen Tag mit Baden und Lesen.

Auf dem Weg nach Transnistrien? Ist das nicht gefährlich? Mittlerweile sollen Ausländer wieder nach Transnistrien reisen können, ich war auch unterwegs dahin, aber…

Überfahrt nach Molovata Noua
Denkmal der im Bürgerkrieg 1992 gefallenen Soldaten in Molovata Noua

1992 besetzten Separatisten und Russische Truppen ganz Transnistrien. Ganz Transnistrien? Nein, einige moldawische Dörfer leisteten erbitterten Widerstand … sodass ein kleines Gebiet östlich vom Nistru moldawisch kontrolliert ist. Ich blieb auch in diesem Teil, denn ich musste bald wieder zurück.

Asterix-Leser kommt das recht vertraut vor, nur ist das Ganze nicht so lustig. Die Dörfer hier betonen ihre moldawische Identität, und doch standen am anderen Ufer auch Transnistrische Soldaten und Russische Friedenstruppen, die die Ankunft der Leute von der Fähre, u.a. auch moldawische Polizei eher gelangweilt beobachteten. 

Der Konflikt besteht, ist aber eben eingefroren

Freitag, den 16. Juli

Badestrand in Valea Morilor in Chisinau

Meine Zeit in Moldawien neigt sich den Ende zu! So muss ich mich von meinen Freunden anfangen zu verabschieden und habe den Nachmittag bei dem warmen Wetter am Strand in Valea Morilor verbracht.

Samstag, den 17. Juli

Dubasari in Transnistrien: UdSSR 2.0

Dubasari ist nur gut 30 km vom Gästehaus entfernt, und dennoch liegt es in einer anderen Welt! Ich fühlte mich wie damals zu Besuch in der DDR oder UdSSR, Hammer und Sichel ist allgegenwärtig.

1992 spaltete sich diese Region von Moldawien ab, und es kam zum Bürgerkrieg. Hieraus entstand der von keinem anderen Staat der Welt anerkannte Staat: Transnistrien.

Eine Reise in das Land war einfacher als gedacht: Ich musste 5€ für eine Vignette bezahlen und konnte mit dem Pass anschließend einreisen.

Hauptstraße in Dubasari
Denkmal für die Opfer des Faschismus

Nahe dem Zentrum an der Leninstraße fand ich auf Nachfrage diese Gedenkstätte für die Opfer des Faschismus.

Dahinter waren Gräber der prorussischen Kämpfer, die im Bürgerkrieg 1992 gefallen sind. Nur wenige Kilometer weiter in Molovata Noua sind die Gräber der moldawischen Kämpfer.

Wie sinnlos kann ein Krieg nur sein?

Das war nicht der Ort, den ich suchte, aber niemand konnte am Ort helfen, den Ort zu finden, in Google war er auch nicht! Aber ich wusste, dass es was geben musste!

Nachdem ich mir Kwas, ein russisches Erfrischungsgetränk auf Getreidebasis besorgt habe, zog ich zu Fuß los und traf einen sehr hilfsbereiten jungen Mann. Doch auch er wusste nichts von diesem Ort.

Ich gab die Suche auf und ging ins Schwimmbad, keine schlechte Idee bei 35 Grad!

 

Kwas-Stand am Park
Im Schwimmbad mit der lesenswerten Biografie von Arye Salichar

Ich las die Lebensgeschichte eines mittlerweile in Israel lebenden Juden Iranischer Abstammung, der in Deutschland aufgewachsen ist: Arye Sharuz Shalicar – ein sehr lesenswertes Buch über eine immer noch antisemitische Grundstimmung in Deutschland.

Plötzlich hatte mich beim Lesen nach einiger Zeit im Schwimmbad der junge Mann wieder gefunden!

Mein Anliegen, diesen Ort zu finden, hat ihm keine Ruhe gelassen, so dass er seine hier lebende Großmutter gefragt hat, ob sie was wüsste. 

Er hat mir dann auf Google Maps den Ort gezeigt, wo ich danach hingefahren bin.

Nicht weit davon war unscheinbar dieser traurige Ort. Es gab nur Hinweistafeln auf russisch und hebräisch sowie die Namen der Opfer auf verschiedenen Tafeln.

Aber warum wusste niemand von diesem Ort?

Später habe ich folgende Webseite gefunden, die die Geschichte dieses Ortes erzählt:

https://www.memorialmuseums.org/denkmaeler/view/409/Holocaustdenkmal-Dubossary

 

Eingang zur Gedenkstätte an 4000 durch die SS ermordeten Juden
What for? Wofür???

Wofür?? – wird an dem Denkmal rhetorisch gefragt! Ich konnte nur traurig und betroffen daneben stehen, Unfassbar, zu welchen Grausamkeiten Menschen fähig sind, insbesondere dann, wenn sie meinen, für „eine gute Sache“ zu kämpfen.

Junge Leute wollen nicht mehr den Holoaust unter die Nase gehalten bekommen, auch hier habe ich den Eindruck, dass kaum jemand daran erinnert werden will – so wie diesr Ort von den Einheimischen und auch von Google ignoriert wird.

Aber die Lebensgeschichte von Arye Sharuz Shalicar zeigt, dass Deutschland auch heute für viele Juden keine Heimat sein kann! Es ist nicht vorbei, der Antisemitismus zeigt sich aktuell lauter denn je. Er ist nach 1945 leider nicht auf „geheimnisvolle Weise“ verschwunden, sondern ist sowohl bei „eingeborenen“ Deutschen als auch bei Migranten präsent. 

„Wir Nachgeborenen sind nicht dafür verantwortlich für das, was geschehen ist, aber dafür, dass es nicht mehr geschieht, dafür schon“ (frei nach Max Mannheimer)

Deutscher zu sein, ist für mich ein Schicksal und eine Verantwortung. Ich will aber nicht nur gedenkend zurückschauen, sondern anpacken und positive Akzente setzen im Miteinander anstatt im Gegeneinander.

Aber auch die jüngste Geschichte zeigt, dass überall sinnlose Kriege geführt werden, und ich wünsche mir auch für dieses Land, dass aus dem „eingefrorenen Konflikt“ einmal echter Friede wird.

Sonntag, den 18. Juli

Abschied von Moldawien: Casa Aviv Bakfar

Heute hieß es wieder Abschied nehmen von Moldawien! Ich verabschiedete mich noch von meinen Freunden in Holercani nahe Transnistrien und fuhr danach über Falesti und Sculeni wieder nach Iasi in Rumänien. 

Unterwegs besuchte ich einige jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten.

Ortseinfahrt nach Falesti

Falesti liegt etwa 100 km entfernt von der Hauptstadt Chisinau im Nordwesten. Auch dort haben vor dem Krieg viele Juden gelebt.

Doch wie in Dubasari am Tag zuvor wusste dort niemand etwas über jüdische Friedhöfe und Gedenkstätten.

Falesti machte auch mich einen ärmlichen Eindruck, viele Gebäude stehen leer. Trotz des Sommerwetters wirkte die Stadt etwas trist,

Eine Frau, die ich unterwegs gefragt hat, kannte den Ort. Sie bot sich an, mitzukommen, da der Ort ansonsten schwer zu finden war.

Ein kleiner Teil des allgemeinen Friedhofs bestand aus jüdischen Gräbern, zuletzt aus den 80er Jahren

Versteckte jüdische Gräber auf dem allgemeinen Friedhof

Meine letzte Station war Sculeni, der Grenzort nach Rumänien. Eliezer Zusia Portugal war dort Rabbiner und gründete die chassidische Schule der Skulener. 

Leider ist von der Schule und der damals aufstrebenden jüdoschen Gemeinde nichts weiter übrig geblieben als dieser Gedenkstein, der mitten auf auf einer großen Wiese steht.

Diese Wiese war einst der jüdische Friedhof, auf dem aber kein Grab mehr steht.

Gedenkstein in Sculeni
Auf Wiedersehen Moldawien!

Nun heißt es endgültig Abschied nehmen aus Moldawien und bin dann nach Rumänien nach Iasi gefahren, von wo ich am 4. Juli nach Moldawien aufgebrochen bin.

Meine Zeit in Moldawien ist zu Ende, meine Reise insgesamt aber noch nicht, denn noch werde ich bis zu fünf Tage unterwegs sein – zunächst diese Nacht bei Freunden und danach im Zelt.

Montag, den 19. Juli

Storchennest an einer Landstraße in Rumänien

wieder zurück im reichen Westen!

… der schon bei Iasi in Rumänien beginnt. Vergleiche ich die Stadt Iasi mit Chisinau, dann ist ein klares Wohlstandsgefälle zu erkennen. Mit Hilfe der EU wurde Iasi zu einer modernen, sauberen und repräsentativen Stadt. Ich kann keinen Unterschied mehr zu einer anderen großen Stadt in Europa mehr erkennen. Während in Chisinau viele Gebäude verfallen sind, sind die Gebäude hier akkurat.

Dennoch macht der wachsende Wohlstand die Menschen nicht unbedingt glücklicher: Viele Moldawier hoffen auf eine stärkere Anbindung an die EU und Rumänien und sehen, dass man in Rumänien etwa das Dreifache verdient wie zu Hause. Aber ein rumänischer Bauarbeiter beklagte sich bei mir, dass man in Deutschland das Dreifache verdient wie bei ihm im Land und schimpfte über seine korrupte Regierung, die für die Menschen nichts tut (wobei es sich aus meiner Perspektive gewaltig viel in Rumänien geändert hat).

Meckern gehört aber auch bei uns zur „Königsdisziplin“, denn auch in Deutschland treffe ich wenig zufriedene Menschen. Meine Ankunft im Westen hinterließ bei mir ein flaues Gefühl, wieder einmal die ums Überleben kämpfenden moldawischen Freunde zurückzulassen.

Die zweite Etappe meiner Heimreise führte mich von Iasi über den Prislop Pass in Maramures auf einen schön angelegten Zeltplatz: „Hotelul de Bumbac“ etwa 25 km entfernt von der Stadt: Sighetul Marmatei

Kloster auf der Höhe des Prislop Passes

Diese Strecke war vor 25-30 Jahren kaum befahrbar vor lauter Schlaglöchern, aber jetzt kann ich diese Strecke nur empfehlen, um auf den kürzesten Weg in den Osten Rumäniens bzw. nach Moldawien zu fahren!

Unterwegs aber wurde ich von einer ernsten Unwetterwarnung erschrocken: Es sollen in kürzester Zeit 40 Liter Regen auf einem Quadratmeter niederkommen, Bauern wurden empfohlen, die Tiere von der Weide zu holen. Hinter dem Kloster schien sich ein schweres Gewitter zusammenzubrauen! Kommen mir die Unwetter, die im Westen Deutschlands ihre zerstörerische Wirkung entfalteten,  jetzt entgegen?

Gott sei Dank kamen auf dem weiteren Weg ein paar ordentliche Schauer runter, aber auf dem Campingplatz angekommen schien die Sonne und es war wieder warm.

Angekommen am Zeltplatz schien sogar die Sonne, von Regen keine Spur! Außer mir war eine junge Familie, die sich eines der Indianerzelte mietete. Es gibt zwar keinen Strom, aber ein Bad mit frischem Wasser sowie Grill- und Lagerfeuerplätze, die keine Wünsche offen lassen, sogar ein gusseiserner Gulaschtopf kann genutzt werden

Angekommen!
Landestypische Brotzeit

Ich vermisse die Basare, die es früher in Rumänien gegeben hat, wo man von den Bauern direkt Lebensmittel aller Art kaufen konnte. In Moldawien gibt es sie noch. Aber glücklicherweise konnte ich mich bei einem Bauern mit Gemüse eindecken, der am Straßenrand seine Ernte verkauft hat.

Es gibt noch Bauern, am Straßenrand, die saisonales Gemüse und Obst sowie Wein und Honig verkaufen, aber für Wurst und Käse blieb mir nur der LIDL, der im Prinzip das im Angebot hat wie bei uns auch – mit ein paar landestypische Ausnahmen

Dienstag, den 20. Juli

Regentag - Museumstag in Sighetul Marmatiei

Und er kam doch noch – der Regen! Ich konnte am Montag Abend das Zelt noch im Trockenen aufbauen und auch noch in Ruhe fast im Trockenen frühstücken, danach fuhr ich in die etwa 25 km vom Zeltplatz entfernte Stadt: Sighetul Marmatiei an der Grenze zur Ukraine und dann fing es an zu schütten!

Also doch: Der große Regen kam mir entgegen, der große Teile Deutschlands zerstört hat, von dem ich in Moldawien nur am Rande etwas mitbekommen haben. Aber er war für mich lediglich ein wenig unangenehm, hat aber keineswegs meine Zeit beim Camping ruiniert.

An so einem Tag gibt es nichts Besseres als der Besuch von Museen und Gedenkstätten

Jüdisches Museum im Geburtshaus von Elie Wiesel

Denkmal vom Nobelpreisträger Elie Wiesel

Eigentlich rein zufällig entdeckte ich einen Wegweise zu diesem Museum und stellte fest, dass Sighetul Marmatiei der Ort ist, in dem Elie Wiesel geboren und aufgewachsen ist und von dort 1944 nach Auschwitz verschleppt wurde. Er kam später nach Buchenwald und wurde 1945 von den Amerikanern befreit.

Er war nach dem Krieg als Journalist und Schriftsteller aktiv und erhielt 1986 den Friedensnobelpreis wegen seinem Kampf gegen Intoleranz und Unmenschlichkeit. Wiesel war maßgeblich an der Aufarbeitung des Holocausts in Rumänien – erst zu Beginn des 21. Jahrhunderts beteiligt.

Das Museum erzählt seine Lebensgeschichte, ausgestellt sind Möbel und Gegenstände jüdischer Familien.

„Wenn wir den Antisemitismus wirklich besiegen wollen, dann müssen wir bereit sein, auf die dunklen Seiten unseres eigenen Herzens zu schauen.“ (Zitat von Elie Wiesel)

Alle Uhren in diesem Museum stehen auf 3:15 Uhr, da Wiesel um diese Uhrzeit von den Amerikanern befreit wurde.

Sephardische Synagoge (in Sighetul Marmatiei

Vom Elie Wiesel-Museum zog ich weiter zur Synagoge der Stadt, in der sich heute ca. 30 Juden zum Gebet versammeln. Es handelt sich um eine sephardische Synagoge.

Die Situation der Juden in Rumänien ist derzeit ähnlich wie in Deutschland, d.h. staatlicherseits leiden die Juden nicht unter Repressalien, sind aber auch hier einem latenten Antisemitismus aus der nichtjüdischen Bevölkerung ausgesetzt.

Von dort ging ich im strömenden Regen zum jüdischen Friedhof, der von der jüdischen Gemeinde mit Unterstützung einer Organisation aus New York gepflegt wird.

In einem Gebäude befinden sich Gräber großer Rabbiner, in denen Gebete und Wünsche hinterlassen werden.

Mitten auf dem Friedhof steht ein Gedenkstein mit einer jiddischen Inschrift, frei übersetzt: 

„Bis zum ewigen Ende, den Opfern dieses brutalen Faschismus in Auschwitz“

Gedenkstein auf dem Jüdischen Friedhof
Denkmal an die Opfer des Holocausts

Von dort aus ging es weiter zum Denkmal der Opfer des Faschismus. Dort steht auf den Tafeln jeweils in rumänisch und hebräisch:

„Im Mai 1944 wurden 38.000 Jüdische Bürger aus Maramures in Konzentrationslager der Nazis verschleppt und von der glorreichen Armee der UdSSR befreit.

Zur Erinnerung an den Sieg

über den Hitler-Faschismus.

Wir kämpfen gegen den neuen „Hitlerismus“, dass solche Verbrechen gegen die Menschlichkeit nie wieder vorkommen dürfen“

 

Dass die Rolle der Sowjetarmee gar nicht so glorreich war, wird im Museum über die Opfer der kommunistischen Gewaltherrschaft dargestellt. 

Zwar wurden Juden in kommunistischer Zeit bei Weitem nicht so verfolgt wie zu Zeiten des Faschismus, aber von einem Leben in Freiheit konnte auch bei den Juden keine Rede sein.

Die Exponate dieses Museums machen deutlich, dass die Kommunisten nicht nur Verbrechen gegen die Menschlichkeit nicht bekämpften, sondern sie auch weiter betrieben.

Museum der Opfer der kommunistischen Herrschaft im ehemaligen Gefängnis
Exponat über die Situation der Juden im kommunistischen Rumänien

„Für uns sind Deutsche, Juden und Benzin die profitabelsten Exportgüter“ (N. Ceaucescu)

Die Rumänische Regierung hat alle Minderheiten, auch Juden unterdrückt. Aber Juden wurden in kommunistischer Zeit sozusagen als „Ware“ nach Israel verkauft, d.h. wenn ein Jude aus Rumänien nach Israel auswandern wollte, dann hat der Staat Israel zu Zeiten Ceaucescus ein Kopfgeld bezahlt. Weitere Informationen siehe folgenden Artikel aus der Jüdischen Allgemeinen.

Insgesamt war ich nur ca. 90 Minuten im Museum und habe kaum die Hälfte gesehen. Die Exponate sind allesamt rumänisch beschriftet, Ausländer erhalten ein Skript, das alle Räume grob erklärt, aber bei Weitem nicht alle Beschriftungen übersetzt.

Allein auf dem Zeltplatz

Rechtzeitig zur Rückkehr zum Campingplatz hat der Regen aufgehört. Mein Zelt hat den Regen überstanden und konnte dann ruhig im Trockenen schlafen. Die junge Familie ist am Morgen schon abgereist, so war ich nunmehr komplett allein.

Letztendlich war ich bewegt von den ganzen Eindrücken, die ich an dieser Stelle nur andeuten kann, an deren Oberfläche ich lediglich gekratzt habe, aber mir auch die Gewissheit gaben: Ich war bestimmt nicht das letzte Mal in Maramures!

Ich habe eine weitere Region zwischen Deutschland und Moldawien liebgewonnen und konnte neue Kontakte knüpfen, u.a. auch zu Björn Reinhard, ein in Maramures lebenden Deutschen, der folgende Webseite betreibt und auch die jüdische Geschichte dieser Region erforscht. Ebenso habe ich festgestellt, dass die Verantwortliche des Museums mit dem Direktor des jüdischen Friedhofs in Chisinau befreundet ist, der auch mein Freund ist, und konnte diesen Blog für heute am Folgetag im Geburtshaus von Elie Wiesel schreiben.

Mittwoch, den 21. Juli

Auf Wiedersehen Maramures

Jetzt heißt es wieder einmal Abschied nehmen von Rumänien im Allgemeinen, Maramures und meinen neuen Freunden konkret. Ich machte mich auf den Weg nach Ungarn machen, wo ich dann übernachten werde.

Rast an der Theiss, den Grenzfluss zur Ukraine

Die Fahrt verlief an der nördlichen Grenze entlang zur Ukraine an dem Fluss: Theiss. Das Waldstück gegenüber dem Fluss liegt bereits in der Ukraine, dahinter die Stadt: Tjatschiw

Vor 20 Jahren waren noch viele Pferdefuhrwerke auf den Überlandstraßen in Rumänien unterwegs, die oftmals den Verkehr behinderten und auch recht gefährlich waren. Mittlerweile sind sie nur noch selten zu sehen.

Pferdefuhrwerk auf der Straße

Donnerstag, den 22. Juli

Große Synagoge in der Duhanystraße

Am Abend bin ich in Biatorbagy, ca. 20 km westlich von Budapest angekommen und habe auf einem Privatgrundstück gezeltet, wo ich einen Freund getroffen habe, mit dem ich im Herbst 2019 in Israel war. Ich bin so häufig immer wieder durch Ungarn gefahren, aber nie hatte ich dort bislang übernachtet. Mittlerweile wurden die Corona-Bestimmungen derart gelockert, dass man mit dem Auto problemlos einreisen und dort auch übernachten konnte.

Wir machten gemeinsam eine Tour durch Budapest mit öffentlichen Verkehrsmitteln, um die Stadt zu erleben. Ich war dort zuletzt vor etwa 20 Jahren und habe sie kaum wiedererkannt.

Wir standen vor der Synagoge, bei der auch das Geburtshaus von Theodor Herzl ist, der schon Ende des 19. Jahrhundert von einem jüdischen Staat träumte. Dort trafen wir eine Gruppe von der Israelischen Armee, die Ungarn besuchte.

Aber weder die Leute von der Armee noch wir konnten in die größte Synagoge Europas rein, da die jüdische Gemeinde sie für Touristen wegen der Coronakrise geschlossen hat.

Blick auf die Stephans-Basilika

Eines der bedeutendsten Gebäude ist die Stephans-Basilika, die dem ersten christlichen König Ungarns gewidmet ist. Es ist eine riesige imposante Kirche, die 8500 Menschen Platz bietet

Am Kalvinplatz steht die große Markthalle, in der Obst, Gemüse, Fleisch, Wurst und ungarische Spezialitäten angeboten wurden. im Obergeschoss befinden sich viele Stände für landestypische Souveniers.

Mein Begleiter und ich waren jedoch von vielen geschlossenen Ständen und dem schlechten Besuch der Markthalle enttäuscht.

Große Markthalle

Gedenkstätte: "Paneuropäisches Picknick"

Platz des Paneuropäichen Picknicks

Auf der Weiterfahrt nach Österreich habe ich direkt an der Grenze zu Österreich angehalten, um mir die Gedenkstätte anzusehen. Dadurch hatte meine Reise einen für mich würdigen Abschluss bekommen. 

Am 16.8.1989 hatte Otto von Habsburg und eine ungarische Oppositionsgruppe zu diesem Picknick eingeladen, an denen Besucher von Ost und West eingeladen wurde. Während dieser Veranstaltung sollte die Grenze nach Österreich für drei Stunden geöffnet werden.

Es wurden unter ausreisewilligen DDR-Bürgern eine Einladung zu diesem Picknick verteilt, von denen dann einige Hundert weniger symbolisch, sondern real die Grenze nach Österreich überquerten und so in den Westen gelangt sind.

Hier wird direkt an der Grenze der eiserne Vorhang nachgebildet, so dass man eine gute bildliche Vorstellung von dieser Situation hatte

 

Darstellung vom Eisernen Vorhang und der Flucht
Grenze nach Österreich

Bereits letzten September wollte ich diese Stelle besuchen, wurde aber von Ungarischen Polizisten verscheucht, denn Ungarn hatte zu dieser Zeit seine Grenzen wegen der Corona-Pandemie geschlossen. Heute nutzte ich die Chance, es waren keine Polizisten da. 

Anschließend fuhr ich über diese Grenze nach Österreich und meine Reise ist nun zu Ende!

Nach einer Übernachtung in Österreich fahre ich morgen wieder zurück nach Hause.

Ein typisches Bild vom Osten Österreichs bis nach Moldawien sind die weiten Sonnenblumenfelder, die die Landschaft gelb färben

Ich blicke voll Dankbarkeit auf die vergangenen drei Wochen zurück über viel Freude und Hoffnung, die ich vermitteln konnte, schöne und traurige Momente sowie viele hoffnungsvolle neue Kontakte.

Freitag, den 23.7.

Blick auf Groß Umstadt von den Weinbergen

Rückkehr, Rückblick und Ausblick

Rückkehr

Nach einer gut neunstündigen fast staulosen Fahrt war ich am späten Nachmittag wieder zu Hause in Groß-Umstadt. Meine Reise ist somit zu Ende; eine Zeit, dankbar zurückzuschauen als auch für einen Ausblick

Rückblick

Ich hatte die Reise am Anfang nicht bis zu Ende geplant, sondern zunächst nur, wie ich nach Moldawien komme. Ich blieb am Ende länger in Moldawien als erwartet und hatte dann entsprechend weniger Zeit zum Zelten und war auch kaum in der Natur. 

Ich kann über die Folge der Tage nur staunen, denn das Tagesprogramm hat sich fast immer spontan ergeben. Ich habe Orte gefunden, weil ich zufällig an denen vorbeigelaufen bin wie z.B. das Israelische Restaurant in Chisinau oder das Elie Wiesel Haus in Sighetul Marmatiei in Rumänien – ich wusste vorher gar nicht, dass er dort geboren ist. Die beeindruckende Gedenkstätte in Dubasari fand ich nur, weil ein junger Mann, den ich fragte und den Ort nicht kannte, innerlich keine Ruhe hatte und seine Großmutter fragte. Dann musste er noch im Schwimmbad mich entdecken, wo wir zufällig beide waren. 

Insbesondere die Rückfahrt war viel ausgefüllter mit neuen Begegnungen, Stätten und Kontakten als ich das erwartet habe. Am Elie Wiesel haus fuhr ich zufällig vorbei während ich was ganz anderes suchte. Die Museumswärterin kannte dann auch noch einen Freund von mir aus Chisinau, und schon war der Tag in Sighet erfüllt, und ich habe einen neuen Kontakt zu Verantwortlichen dieses Museums und kann dies in zukünftige Reisen einplanen.

Auch Ungarn war nicht im Plan, aber ein Freund, mit dem ich in Israel war, war am Ende meiner Reise dann auch zufällig in Ungarn und wusste, dass es kein Problem mehr ist, in Ungarn zu übernachten. Dort habe ich dann wiederum nicht nur neue Leute kennengelernt, sondern auch von Budapest viel gesehen. An der Synagoge liefen zufällig eine Reisegruppe mit Israelischen Soldaten vorbei, von denen einer Kontakte in Israel hatte, der sich um jüdische Friedhöfe weltweit kümmert. Er wollte sich bei mir melden, was er bislang nicht getan hat, aber vielleicht tut er es noch.

Ich selbst glaube eigentlich nicht an Zufälle, sondern sehe da klar und deutlich die Führung Gottes, denn vieles, was ich erlebte, war gegen jede Wahrscheinlichkeit.

Letztendlich eine Erfüllung des Psalmwortes Ps. 119,27: „Lass mich verstehen den Weg deiner Vorschriften, und sinnen will ich über deine Wundertaten.“

Ausblick

Nach der Reise ist vor der Reise! Dieses Jahr plane ich erst einmal keine weitere Reise nach Moldawien, aber im Januar will ich wieder dabei sein, wenn die Pakete der Weihnachtspaketaktion von Hoffnungsträger Ost verteilt werden.

Pakete für die Kinder sammle ich in Groß-Umstadt ab Oktober bis Ende November. Wer nicht in meiner Nähe wohnt, soll ich bitte bei Hoffnugnsträger Ost oder mir melden, wir finden die nächste Sammelstation.

Hilfsgüter werde ich dann bis zum Spätsommer und dann erst wieder im neuen Jahr sammeln, da aus Kapazitätsgründen Hilfsgüter nicht einfach transportiert werden können. gerne nehme ich bis September Wintersachen entgegen, aber ich bitte um Beachtung folgender Hinweise mit einer Ausnahme:

Ich nehme alle Verpackungen entgegen und packe die Sachen selbst in Bananenkisten um, die dann schon vorsortiert und gelabelt sind.

Darüber hinaus plane ich für Frühjahr oder Herbst 2022 eine „Pilotreise“ mit einer kleinen Gruppe mit 2-5 Mitreisenden. ich werde hierzu die Tage ein Update der Seite: Reisen und Begegnungen schreiben, denn es besteht die begründete Hoffnung, dass Reisen wieder möglich sein werden.

Ich überlege mir derzeit, für zwei persönliche Anliegen wieder einmal meinen virtuellen Spendenhut herumgehen zu lassen, da Einzelspenden nicht über einen gemeinnützigen Verein abgewickelt werden können.

Ich denke aber auf jedem Fall darüber nach, ob sich weitere finden, die bereit sind, die Initiative zu unterstützen, sodass diese selbst ein gemeinnütziger Verein oder Stiftung werden kann, um eigenständig Projekte durchzuführen. Fragen und Anregungen nehme ich gerne per Mail entgegen (siehe Footer der Hauptseite)

Schreibe einen Kommentar